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November 2024
Väter sind wichtig!
Eine meiner frühesten Kindheitserinnerungen ist Folgende: Ich sitze auf den Schultern meines Vaters. Während er mit mir dem Strand entlang durchs Wasser läuft, tut er immer wieder mal so, als würde er mit dem Fuss in ein Loch stürzen. Dadurch erlebe ich für einen kurzen Moment ein Gefühl der Schwerelosigkeit, was er sogleich wieder auffängt und weitergeht. Vermutlich lache ich dabei fröhlich, so dass er dieses Spiel immer aufs Neue wiederholt.
Foto: www.pexels.com
Was mein Vater damals – sicher ohne darüber nachzudenken – mit mir gemacht hat, ist ein absolut wirkungsvolles, vaterspezifisches Verhalten. Laut Forschern haben menschliche Väter vor 500'000 Jahren angefangen, sich vermehrt um ihre Nachkommen zu kümmern, was sowohl ihr eigenes Wohlbefinden, als auch das ihrer Kinder, sowie die Vater-Kind-Bindung positiv beeinflusste.
Was auf den ersten Blick selbstverständlich zu sein scheint, wurde in wissenschaftlicher Forschung bestätigt: Während die meisten Mütter gerne mit ihren Kindern kuscheln und sie vor Verletzungen möglichst beschützen möchten, ziehen Väter wildes Spielen vor und gehen dabei auch gerne mal ein kleines Risiko ein. Das Kind in die Luft zu werfen und wieder aufzufangen oder mit ihm auf dem Bett liebevoll herumzutoben, ist natürlich bestenfalls für beide ein grosser Spass, aber eben auch ein uraltes, aus der Evolution entwickeltes Verhaltensmuster. Dabei werden Botenstoffe, unter anderem Beta-Endorphin, ausgeschüttet, die das Belohnungszentrum im Gehirn aktivieren. Beta-Endorphin wirkt schmerzlindernd, reguliert das Herz-Kreislauf-System und ist am Aufbau von langandauernden Bindungen beteiligt. Wenn Papa und Kind zusammen spielen oder toben, schütten beide Beta-Endorphin aus, was zu angenehmen Gefühlen der Wärme, Verbundenheit und Glück führt und somit regelrecht süchtig macht.
Nun spielen natürlich auch Mütter mit ihren Kindern. Zudem unterstützen Schwangerschaft, Geburt und Stillzeit den Aufbau der Bindung enorm. Deswegen sind Väter jedoch keineswegs zweitrangig und können den gefühlten Nachteil langfristig aufholen. Die Forscherin Ruth Feldmann liess Mütter und Väter mit ihren vier bis sechs Monate alten Säuglingen spielen und untersuchte anschliessend den Oxytozinanstieg beider Elternteile. Oxytozin ist ein sogenanntes Bindungshormon, das beim Stillen und bei Berührungen ausgeschüttet wird. Ruth Feldman stellte fest, dass Mütter die höchsten Oxytozinwerte aufwiesen, wenn sie mit ihrem Kind schmusten (beim Stillen wären die Werte vermutlich noch höher gewesen). Bei Vätern hingegen lagen die Höchstwerte beim wilden Spiel mit dem Kind. Es scheint also, dass die Natur beide Elternteile zu unterschiedlichem, sich wunderbar ergänzenden Verhalten motivieren möchte: Von den Müttern werden die Kinder liebevoll umsorgt und beschützt, von den Vätern spielerisch herausgefordert und ermutigt, Neues auszuprobieren.
Dabei gibt es aber sehr wohl kulturelle Unterschiede in der Vaterrolle. Nicht in allen Völkern spielen Väter mit ihrem Nachwuchs. Manche nehmen ihre Söhne mit auf die Jagd oder weihen sie in die Arbeitswelt und das gesellschaftliche Leben ein. Andere sind nur zur Zeugung anwesend und ziehen dann die Kinder ihrer Schwestern gross. Dass die Anwesenheit eines Vaters für ein Menschenkind von entscheidender Bedeutung ist, ist unbestritten. Weniger wichtig ist jedoch die Tatsache, ob es sich um den biologischen oder sozialen Vater handelt. Auch ein Ersatzvater kann für ein Kind die universell wichtige Rolle desjenigen übernehmen, der sein Überleben sichert und seine zukünftige Entwicklung fördert.
In meiner Schlafberatung sind seit einiger Zeit sehr oft auch die Väter mit dabei, was ich sehr begrüsse. Die heutigen Väter kümmern sich in der Regel liebevoll um ihre Kinder und möchte eine genauso enge Bindung aufbauen wie die Mutter. So wollen sie sich auch an der (Ein)Schlafbegleitung ihres Kindes beteiligen. Sehr oft erzählen mir die Eltern, dass ihr Kind tagsüber wunderbar mit Papa zurechtkommt, aber die Mama bevorzugt, sobald es darum geht, ins Bett zu gehen. Wenn auch gut gemeint, halten manche Mütter ihre Partner davon ab, sich auf eine intuitiv passende Weise um das Kind zu kümmern. So wird Vätern häufig gesagt, sie sollen abends nicht mehr mit dem Kind herumtoben, da befürchtet wird, das Kind würde dadurch zu sehr "aufgedreht". Oft schauen die Väter ihre Partnerinnen etwas belustigt an, wenn ich genau das vorschlage. Es geht nicht darum, jeden Abend vor dem Zu-Bett-Gehen die wildeste Party zu feiern, aber Zeit und Raum zu schaffen, in dem die Vater-Kind-Beziehung auf ihre ganz spezifische Weise gelebt werden kann: Durch eine körperliche ausgelassene, bestenfalls etwas monotone Aktivität, damit Energie herausgelassen werden kann, ohne jedoch Adrenalin auszuschütten. Dass Papa und Kind dabei Spass haben und auf biochemischer Ebene die Ausschüttung eines Wohlfühl- & Entspannungs-Cocktails erleben, ist in Bezug auf das Einschlafen förderlich.
Die Mütter müssen nicht ängstlich daneben sitzen, sondern dürfen sich dann einen Moment für sich gönnen und sich darüber freuen, dass die elterliche Zuwendung ergänzend und nicht konkurrierend ist.
Oder um es mit dem Zitat, das angeblich von Goethe stammt, zu sagen, bieten Mütter ihren Kindern eher Wurzeln und Väter eher Flügel. So erstaunt es nicht, dass mehrere Forschungsarbeiten die grosse Bedeutung einer gelungenen Vater-Kind-Bindung auf späteren Erfolg, eine bessere Sprachentwicklung, ein besseres Selbstwertgefühl und eine höhere Resilienz des Kindes belegen konnten – also alles Eigenschaften, die ein Kind zukünftig im Leben braucht, um sich in dieser Welt gut zurecht zu finden.
Wer sich in das Thema Vatersein vertiefen möchte, dem empfehle ich das Buch "Papa werden" von Anna Machin, Kunstmann Verlag 2020
Oktober 2024
Alleine schlafen ist kein frühkindlicher Lernschritt
Auf "Medscape", einer Online-Plattform für Ärzte und Gesundheitsexperten, kommt in einem Artikel über Schlafstörungen bei Kindern Prof. Dr. Stéphanie Bioulac von der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universität Grenoble zu Wort. Neben korrekten Empfehlungen zum kindlichen Schlafbedarf, der Begrenzung von Bildschirmzeit und einer eher tiefen Temperatur des Schlafzimmers, empfiehlt sie die "Bedtime-Fading-Methode", die letztlich nichts anderes als die Ferbermethode ist.
So heißt es: "Zur Schlafenszeit, nach dem Einschlafritual (das etwa 15 Minuten dauert), verlassen die Eltern den Raum, während das Kind noch wach ist. Sie werden ermutigt, Weinen und Wutanfälle in bestimmten Abständen zu ignorieren, z.B. 3, 5 oder 10 Minuten. Konkret wird den Eltern empfohlen, am ersten Tag, wenn das Kind nachts weint, 5 Minuten außerhalb des Zimmers zu warten, bevor sie für 1 bis 2 Minuten eingreifen (ohne Körperkontakt, ohne das Kind in den Arm zu nehmen) und an der Türschwelle stehen bleiben. Am 2. Tag wird die Wartezeiten schrittweise verlängert: 8 Minuten, dann 10 Minuten und so weiter."
Laut Frau Bioulac haben 20-30% aller Kinder unter 5 Jahren eine Schlafstörung. Als Ursache sieht sie in den meisten Fällen das Fehlverhalten der Eltern. Sie spricht von "abnormer Konditionierung zur Schlafenszeit, schlechter Organisation des Mittagsschlafs, fehlenden Grenzen, nächtlichem Esssyndrom und übermäßiger Stimulation." Konkret meint sie, dass die Eltern die angeblichen Schlafstörungen selbst verursachen, weil sie ihr Kind nicht wach in sein Bettchen legen und alleine einschlafen lassen, sondern es zu sich nehmen, stillen, tragen oder auf andere Weise in den Schlaf begleiten.
"Dies ist eine wirklich abnormale Konditionierung für den Schlaf. Wenn ein Kind nicht weiß, wie es allein einschlafen kann, wird es auch nicht in der Lage sein, nachts nach dem Aufwachen wieder allein einzuschlafen. Der erste Schritt besteht also darin, dem Kind beizubringen, selbstständig einzuschlafen", so Bioulac.
Ich möchte hier nicht auf die empfohlene (aus meiner Sicht höchst bedenkliche) Methode eingehen, sondern der Frage nachgehen, wie kleine Kinder lernen. Dass "Schlafen-lernen" oder "Alleine-schlafen-lernen" zu den kindlichen Lernschritten gehört, scheint von vielen Menschen im westlichen Kulturkreis unhinterfragt angenommen zu werden. Aus mehreren Gründen unterscheidet sich dieser Prozess jedoch von allen anderen natürlichen Lern- und Entwicklungsschritten.
- Erstens sind Menschen von Natur aus Gruppenschläfer und haben das Bedürfnis, sich besonders nachts und im Dunkeln in der Nähe und Sicherheit anderer Menschen zu befinden. So wird in den meisten menschlichen Kulturen das sogenannte "Co-Sleeping" praktiziert und kleine Kindern müssen nicht lernen, alleine zu schlafen, da sie anfangs den Schlafplatz mit der stillenden Mutter und später mit anderen Familienangehörigen teilen. Alleine schlafen zu lernen ist also nur in der modernen westlichen Welt ein erstrebenswertes Ziel und kein im Menschenkind angelegter Entwicklungsschritt wie Gehen-, Essen- oder Sprechenlernen.
Foto: www.pexels.com
- Zweitens erfolgen natürliche kindliche Lern- und Entwicklungsschritte intrinsisch: Ein Kind will etwas lernen, weil es dazu bereit ist. Denken wir an die grosse Freude und Motivation, wenn ein kleines Kind erste Schritte macht. Es übt unermüdlich, bis es ein bestimmtes Ziel und die nötige Kompetenz erreicht hat. Kein kleines Kind strebt von sich aus an, nachts alleine zu sein.
- Drittens erfolgt Lernen beim Kleinkind in einem sozialen Kontext und über Nachahmung: Das Kind lernt zusammen mit seinen Bindungspersonen sprechen, indem es sie beobachtet, die Gesichtsbewegungen und Laute nachahmt. Es sieht, wie sich die anderen Menschen fortbewegen und auf zwei Beinen laufen: Hochmotiviert lernt es zu krabbeln, zieht sich hoch und übt freie Schritte zu gehen. Wenn ihm dies gelingt, strahlt es über das ganze Gesicht. Was beobachtet es beim Schlafen? Es sieht, dass seine Eltern einen Schlafplatz teilen und möchte verständlicherweise auch dort sein. Wen soll es nachahmen, wenn es alleine im Bettchen liegt?
- Lernschritte bringen einen bleibenden Vorteil. Ein Kind wird, wenn es das Gehen oder Sprechen gelernt hat, ein Leben lang davon profitieren. Alleine zu schlafen ist aber nur ein vorübergehender Zustand, der meist spätestens dann wieder aufgehoben wird, wenn das Kind erwachsen ist und in einer Partnerschaft lebt. So berichten immer wieder Erwachsene davon, dass sie nicht gut schlafen, wenn der Partner/die Partnerin nicht neben ihnen liegt.
Alleine schlafen widerspricht den Kriterien für frühkindliches Lernen komplett und ist somit kein natürlicher und erstrebenswerter Lernprozess.
Wenn Eltern konsequent genug sind, das Schreien ihres Kindes zu ignorieren, hört jenes schlimmstenfalls damit auf, seine Bedürfnisse anzumelden. Diese Frustration darf aber nicht als Lernerfolg gewertet werden. Das Kind muss entgegen seinem Bindungsbedürfnis handeln. Es muss etwas akzeptieren, wozu es überhaupt nicht motiviert ist, denn Alleine schlafen bietet ihm keinen einzigen Vorteil.
Wären "Experten" wie Frau Bioulac ehrlich, müsste sie ihr Anliegen ganz anders formulieren. Sie würde dann nicht davon sprechen, dass ein Kind lernen soll, alleine zu schlafen, sondern dass es lernen soll, sich in Situationen, in denen sein Bindungssystem aktiviert wird, d.h. in denen es Angst empfindet, sich hilflos und verlassen fühlt, nicht zu melden. Es lernt folglich, dass seine Bedürfnisse unwichtig sind, dass es nicht wertvoll genug ist, als dass sich jemand kümmern mag, dass es sich nicht auf seine Bindungspersonen verlassen kann und dass es den Mitmenschen generell am besten misstraut.
Diese Interpretation tönt nicht sehr attraktiv, also wird die Empfehlung in den Deckmantel eines erstrebenswerten Lernschrittes gehüllt, so dass Eltern den Eindruck bekommen, ihr Kind würde davon profitieren.
Es ist egal, ob wir das Programm "Ferbermethode" oder "Bedtime-Fading" nennen. Ob Eltern drei oder fünf Minuten warten, bis sie wieder zu ihrem Kind gehen, spielt aus seiner Sicht auch keine Rolle. Wenn wir ein Kind in einem Moment, in dem es liebevolle Zuwendung und Sicherheit braucht, alleine lassen, dann ist das Vernachlässigung. Den immensen Stress, den ein Kind dabei empfindet, führt höchstwahrscheinlich dazu, dass andere – wirklich wichtige - Lernschritte beeinträchtigt werden.
©Sibylle Lüpold
September 2024
Hürden in der Schlafentwicklung
Es gibt in der Literatur verschiedene Modelle, die sich mit den Hürden in der (Schlaf)Entwicklung der frühen Kindheit befassen. Ich möchte zwei solcher Modelle hier vorstellen und aus Sicht von 1001kindernacht® Stellung beziehen.
1. Die "Schlafregression"
Unter dem Stichwort "Schlafregression" finden sich im Internet zahlreiche Beiträge, die die Tatsache, dass Babys oder Kleinkinder zeitweise "schlechter" schlafen und ihre Eltern nachts häufiger wecken, durch bestimmte Phasen zu erklären versuchen. Leider wird meist keine fachliche Quelle genannt, wodurch nicht nachvollziehbar ist, worauf sich die Autor/innen beziehen.
Laut dieser Theorie gibt es in den ersten zwei Jahren fünf "Regressionen", in denen Kinder auf einmal schlechter ein- und durchschlafen: Mit 4, 8, 12, 18 und 24 Monaten. Die erste Regression dauert zwei bis vier, alle anderen vier bis sechs Wochen. Als Ursache für die sogenannten Rückschritte wird erklärt, dass das Gehirn des Kindes auf Hochtouren laufe und mentale sowie physiologische Veränderungen verarbeiten müsse. Weil das Kind dadurch weniger tief schlafe, werde es häufiger wach und sei aufgrund des Schlafmangels tagsüber unzufrieden. Genauer heißt es:
• Bei der 4-Monats-Schlafregression wacht ein Baby, das vorher bereits fünf oder sechs Stunden geschlafen hat, alle eineinhalb Stunden auf. In dieser Zeit lernt das Kind, sich vom Bauch auf den Rücken und wieder zurück zu drehen.
• Bei der 8-Monats-Schlafregression unterscheidet das Kind zwischen Menschen, Tieren und Objekten und teilt die Welt in Kategorien ein. Motorisch lernt es das Krabbeln.
• Bei der 12-Monats-Schlafregression lernt ein Kind Zusammenhänge zu erstellen. Es kann sich mittlerweile hochziehen und erste Schritte machen.
• Bei der 18-Monats-Schlafregression erkennt ein Kind sich selbst und betrachtet seine Bindungspersonen als eigenständiges Wesen. Zudem entwickelt es einen eigenen Willen. In dieser Phase gibt es erste Albträume.
• Bei der 24-Monats-Schlafregression ist ein Kind motorisch "fertig" entwickelt und strebt eine grosse Selbständigkeit an, die zu Trennungsängsten führen kann.
Beim Suchen nach der fachlichen Quelle zum Thema "Schlafregression" stosse ich auf den niederländischen Verhaltensbiologen Franz Plooij, der zusammen mit seiner Frau Hetty van de Rijt das Buch "Oje, ich wachse" geschrieben hat. Gemeinsam beobachteten sie in Tansania bei Jane Goodall das Verhalten von Schimpansenbabys und -müttern, wobei sie das Auftreten verschiedener Regressionsphasen erkannten. Diese "Entdeckung" übertrug Plooij auf die Entwicklung des Menschenkindes und definierte 10 solcher Phasen in den ersten 20 Lebensmonaten. Dabei geht es laut Plooij keineswegs nur um das Schlafen, sondern um Phasen, in denen grosse Veränderungen beim Kind und auch in der Interaktion mit seiner Umwelt auftreten, die auf drastische Umstrukturierung des Gehirns zurückzuführen seien. Nach einer Regressionsphase, die oft auch von einer akuten Erkrankung begleitet sei, beherrsche das Kind neue Fähigkeiten.
2. Das Touchpoint-Modell
Der Kinderarzt T. Berry Brazelton hat das Konzept der sogenannten "Touchpoints" entwickelt. Touchpoints sind kritische, vorhersehbare Meilensteine in der kindlichen Entwicklung, die zu einer Störung des Familiensystems führen können. Brazelton und Sparrow haben in den ersten drei Lebensjahren 13 solcher Meilensteine definiert.(1) Im ersten Lebensjahr gibt es laut Brazelton vier Touchpoints, die sich auf den Schlaf auswirken und zu schwierigeren Nächten führen; und zwar mit 4, 8, 10 und 12 Monaten.
Touchpoints sind Phasen, in denen das Verhalten des Kindes in Bezug auf seine Ernährung, seinen Schlaf, seine Ausscheidung oder anderes für seine Eltern sehr herausfordernd sein kann. Das Wissen um diese Meilensteine und Strategien für den Umgang damit können dazu beitragen, negative Situationen und Stress zu vermeiden. Bei frühgeborenen Kindern treten diese Phasen erwartungsgemäss später auf. Das Ziel des Touchpoint-Modells ist es, sowohl Eltern als auch Fachleuten einen Orientierungsrahmen zu bieten und nicht, Vergleiche unter Kindern zu machen oder die Entwicklung zu pauschalisieren. Brazelton betont ganz klar, dass die Eltern Experten für ihr Kind sind. Da viele Eltern irritiert sind, wenn ihr Kind z.Bsp. nachts plötzlich wieder mehr nach ihnen ruft, kann es entlastend sein zu wissen, dass eine solche Hürde zu erwarten war. Sie müssen dann nicht an sich selbst und ihren Fähigkeiten zweifeln oder sich Sorgen machen, das sich ihr Kind anormal entwickle, sondern können die Phase möglichst gelassen begleiten. Der Fokus liegt nicht auf den Problemen, sondern auf dem, was bereits erreicht wurde und auf der weiteren Entwicklung, die dadurch begünstigt wird.
Foto: www.pexels.com
Das Touchpoint-Modell passt zur Erkenntnis von 1001kindernacht®: Auch wir haben festgestellt, dass gleichzeitig mit der Fremdenangstphase um die 8 Monate und auch mit 10 Monaten die familiäre Belastung oftmals sehr gross ist und viele Eltern in die Schlafberatung kommen, da sie sehr verunsichert sind. Die Kinder brauchen auf einmal mehr Begleitung beim Einschlafen und/oder erwachen nachts mehrmals, oftmals auch schreiend. Zu erfahren, dass in diesem Alter schwierigere Nächte zu erwarten sind, dass die Eltern nichts falsch gemacht haben und vor allem, dass es bald wieder besser läuft, ist meistens eine enorme Erleichterung. Auch zwischen dem zweiten und dritten Geburtstag erleben wir noch einmal eine sehr herausfordernde Zeit, die mit dem Höhepunkt der Trennungsangst zusammenfällt. Kinder, die schon alleine geschlafen haben, rufen plötzlich wieder nach den Eltern oder suchen nachts eigenhändig das Elternschlafzimmer auf.(2)
Der Name 1001kindernacht® bezieht sich auf die ersten 3 Jahre (3x 365 Tage/ Nächte), in denen die (Schlaf)Entwicklung wellenförmig abläuft: Phasen, in denen Kinder "gut"(3) oder sogar durchschlafen, wechseln sich ab mit Phasen, in denen Kinder bis zu stündlich wach werden und die Unterstützung der Eltern vermehrt einfordern.
Inwiefern Modelle, die die kindliche Entwicklungsschritte genau vorhersagen wollen, für Eltern hilfreich sind, ist zu hinterfragen. Ein kleines Kind überwindet ja fast ständig irgendeine Hürde, sei es aufgrund der intensiven motorischen, emotionalen und kognitiven Entwicklung, aufgrund von Infekten und Beschwerden oder aufgrund äusserer Veränderungen wie Start in die Fremdbetreuung oder Geburt eines Geschwisters. Manche Eltern mag es entlasten, wenn sie die Erklärung für eine Phase schwieriger Nächte auf eine sogenannte "Schlafregression" oder einen "Touchpoint" zurückführen können. Das ändert aber nichts daran, dass immer wieder – und bei allen Kindern zu unterschiedlichen Zeitpunkten – solche Hürden auftreten und die Familie dann vermehrt gefordert ist. Ähnlich wie bei den "Wachstumsschüben" (siehe dazu den Beitrag "Sind Wachstumsschübe nur ein Mythos?" von Dr. Zsuzsa Bauer) sind solche Modelle auf ihre Sinnhaftigkeit zu prüfen. Die Autorin vergleicht mehrere Quellen zu den Wachstumsschüben und macht deutlich, dass diese nicht (wie zu erwarten wäre) übereinstimmen. Vielmehr ist es so, dass offenbar alle Kinder zu unterschiedlichen Zeitpunkten vermehrt gestillt/ernährt werden möchten, was ganz unterschiedliche Ursachen haben kann.
Wirklich hilfreich ist es, wenn Eltern lernen, ihr Kind intuitiv zu lesen und auf seine individuellen Bedürfnisse einzugehen. Letztlich brauchen sie konkrete Möglichkeiten, schwierige Phasen gut zu überstehen, indem sie z. Bsp. die Schlafsituation optimieren, liegend stillen, sich nachts abwechseln oder zusätzliche Betreuungspersonen ins Boot holen.
1) The Touchpoints Model of Development. T. B. Brazelton & J. Sparrow (2003)
2) Vergleiche auch "Babyjahre" (2007) von Remy Largo
3) Hier ist zu betonen, dass Kinder auch dann gut schlafen, wenn sie sich vermehrt melden, sofern sie liebevoll betreut werden. Die Eltern hingegen werden vermehrt geweckt und schlafen verständlicherweise nicht gut. Auch ein Kind, das durchschläft, wird mehrmals pro Nacht wach, meldet sich dann aber nicht.
ALTE NEWSLETTER-BEITRÄGE auf Wunsch erhältlich bei sibylle@1001kindernacht.ch
- Die Erlaubnis, "Nein" zu sagen (Im Gespräch mit Judith Biberstein)
- Die Zeitumstellung
- In Erinnerung an Remo Largo
- Mütter müssen genährt werden (Im Gespräch mit Giovanna Caflisch)
- Stressige Einschlafbegleitung, wenn Besuch da ist
- Stillen und Schlafen: Eine Win-Win-Beziehung (Im Gespräch mit Karin Guggisberg-Bucher)
- Wir kommunizieren auch im Schlaf